Nachhaltige Milchverarbeitung Aktueller denn je -04.07.2022
- reinerwechs
- 16. Juni 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Juli 2022
Konzept einer nachhaltigen Milcherzeugung mit verbundener handwerklichen Milchverarbeitung bzw. Lebensmittelerzeugung Wenn man in einer Molkerei aufgewachsen ist und dann auch den dazugehörigen Beruf erlernt hat und mittlerweile über eine 50 jährige Berufserfahrung verfügt, hat man viele Etappen der Milchverarbeitung durchschritten. Nach Beendigung der alten Reichsnährstandsordnung begann in den 60er Jahren das Sterben der kleineren Molkereien. Damals gab es fast in jedem größeren Ort eine Molkerei. Mit der Öffnung des Marktes, habe sich vor allem die privaten Molkereien mit Ihrer Flexibilität und Kreativität enorm entwickelt, während die genossenschaftlichen Betriebe Ihre Chancen vorrangig in Fusionen sahen, besonders die großstädtischen Betrieben wollten Ihre hohe Kostenstruktur durch Fusionen mit den kleineren Molkereien im Umfeld kaschieren. Ein besonderes negatives Beispiel ist hier die Intermilch – ehemals Südmilch, jetzt Campina. Bezeichnenderweise gibt es mittlerweile keine einzige selbstständige großstädtische Molkerei mehr, diese sind alle in großen vor allen ausländischen Konzernen aufgegangen. Damit verbunden wird die Milch immer weiter transportiert, mehrtägig abgeholt und die Endprodukte auch dementsprechend wieder über große Strecken verteilt. Dazu kommt noch, dass die Verarbeitungsbetriebe sich auch immer mehr auf bestimmte Produkte spezialisiert haben, wie z.B. Konsummilch- und Käseherstellung und dadurch Sich auch dementsprechend keine optimale Energie- und Ressourcenverbrauch ergab. Gleichzeitig, erfolgte auch in dieser Zeit die Konzentration des Lebensmittelhandels, verbunden mit der Gründung der Discounter. Wurden in den 60er Jahren noch die Lebensmittelhändler im näheren Umfeld beliefert, werden heute in teilweise halbjährlichen Preisgesprächen,(vor allem der Handelsmarken) großflächig verhandelt. Dadurch werden vor allem auch Standardprodukte wie Konsummilch, Joghurt, Sahne, Quark usw. von Nord nach Süd oder Ost nach West gefahren. Nachdem sich mittlerweile das technologische, ökonomische und ökologische Gesichtsfeld und vor allem der technische Fortschritt sich soweit entwickelt hat, lohnt es sich wieder darüber Gedanken zu machen, ob nicht wieder eine Hinwendung zu kleiner Einheiten, die klimaneutral produzieren und vor allem auch kostengünstiger, verbunden mit einem höheren Einkommen für die Erzeuger, Sinn machen. Wie so was funktionieren kann, will ich mit folgenden Anregungen darstellen mit Einbindung der gesellschaftlichen Anforderungen und Notwendigkeiten vor allem einer CO 2 freien Verarbeitung:
1. Milchgewinnung Neben der heute unumgänglichen nachhaltigen Milcherzeugung, ist vor allem auch eine regionale eiweißhaltige Futtermittelerzeugung wichtig. Das sog Tierwohl ist dabei unter dem Einsatz der modernen Technik wie z.B. dem Melkroboter eine Selbstverständlichkeit – gerade die Tierhaltung steht bei dem Verbraucher immer mehr im Vordergrund – und je mehr die Lebensmittelerzeugung transparent ist ,umso höher ist auch die Akzeptanz bei dem Verbraucher. Gerade die handwerkliche Verarbeitung bietet dazu ein enormes Potential.
2. Milchverarbeitung Durch die in den letzten Jahren vorangeschrittene Entwicklung der Technik und damit verbundenen Vereinfachung der Lebensmittelproduktion, vor allem unter Einsatz der Digitalisierung, wurden die Herstellungskosten auch in der handwerklichen Produktion, reduziert. Ein ganz wichtiges Verkaufsargument ist dabei auch, dass die Natürlichkeit der Produkte weitgehendster erhalten bleiben.
3. Energieerzeugung und –Verwendung Im Gegensatz zu den 60 er Jahren hat sich mittlerweile die Technik so viel weiter entwickelt das es eigentlich wieder viel mehr Sinn macht in kleineren Einheiten zu denken. Regional produzieren und vertreiben, vor allem der Grundnahrungsmittel. Könnte man das Rad noch einmal zurück drehen und in jedem Dorf gäbe es wieder einen Bäcker, Metzger, Molkerei, Lebensmittelladen verbunden mit einer funktionierenden ökologischen Landwirtschaft – dürfte es kein Problem sein, dieses weitgehendster CO2 frei zu betreiben. Dazu müssten nur die Möglichkeiten der ökologischen Energieerzeugung mit all ihren Möglichkeiten ausgenutzt werden. Energieerzeugung mit Hilfe von Biogas (Gülle und Molkevergärung), Photovoltaik, Windräder regional erzeugt. Auch kleinere Kläranlagen können hierbei durchaus wirtschaftlich arbeiten (Faulturmvergärung). Das Problem der damit verbundenen Speicherung – kann größtenteils mit der direkten örtlichen Verwendung gelöst werden, dazu bieten sich folgende Möglichkeiten an: 1. in der direkten Produktion – Wärme, Strom und Kälte . 2. Speicherung in Form von Eiswasser – spätere Verwendung in der Kühlung oder Klimaanlagen. (Grundsätzlich müsste jeglicher Einsatz von Rückkühlanlagen ohne vorherige Energierückgewinnung untersagt werden, dies betrifft auch Kälte- und Luftkompressoren). 3. Anbindung der Wohnhäuser, Verwaltungen, Schulen, Turnhalle usw. mit Fernwärme ev. auch Kälteleitung. In meiner Jugend gab es in den Dörfern noch zentrale Gefriertruhen (wo sich jede Familie eine Truhe mieten konnte) die dann auch mit einer Kälteanlage versorgt wurden. Ein toller Effekt ist auch die Nutzung der Restwärme in Gewächshäusern. Selbst Schwimmbäder könnten wieder kostengünstiger versorgt werden.
Sog. Eisspeicherheizungen, in denen das gespeicherte Eis wieder in Wärme umgesetzt werden – sind ebenfalls schon im Einsatz –deren Speicherung bietet sich vor allem an wenn zu viel Strom zur Verfügung steht – starker Wind oder zu viel Sonne. Mit dieser Speicherung lassen sich dann bei Bedarf wiederum die vor Ort benötigte Energien erzeugen. 4. Verpackungsmitteleinsatz
Über die Verwendung von diversen Verpackungsmittel gibt es sicherlich immer noch sehr kontroverse Meinungen. Nach meiner Meinung ist eine Mehrwegverpackung im regionalen Bereich unter Einsatz der Verteilung mit E-Mobilen und auch regional erzeugten Strom durchaus sinnvoll. Bei der Belieferung von regionalen Verteilerzentren sieht das schon wieder anders aus. Die diversen Karton-, Becher- und Folienhersteller sind in den letzten Jahren in Ihrer Minimierung des Rohstoffeinsatzes doch schon erheblich weiter gekommen, wobei ich allerdings den Einsatz der 2-Komponentenbecher durchaus kritisch sehe. Ein mit minimalem Einsatz hergestellter Kunststoffbecher und wenn möglich auch noch ohne Druck ist immer einen Becher mit ummanteltem Karton vor zu ziehen. Überhaupt stellt sich die Frage müssen –Becher bzw. Umkarton sogar mehrfarbig Bedruckt werden. Bei der Umverpackung sollte man sich auch auf die in der Region vorhandenen Lieferanten konzentrieren und auch der Einsatz von Pflanzenfasern (Heu) ist immer mehr im Vormarsch.
5. Handel Um den Kreis der nachhaltigen regionalen Lebensmittelerzeugung zu schließen, spielt dann die Einbindung des Handels eine ganz wichtige Rolle. Gerade die Handelsmarken für die Grundversorgung werden im Jahr 1-2 mal neu verhandelt und teilweise auch vergeben. Dadurch ergibt sich, dass Konsummilch, Joghurt, Quark, Schlagsahne usw. zum jeweiligen Auslieferungslager über mehrere 100 km gefahren wird. Das besondere an diesen Produkten ist, dass Sie einen relativ konstanten Absatz haben. Würde jetzt eine direkte Verbindung von den regionalen Verteilerzentren zu den kleineren Produzenten bestehen, könnten diese automatisch dem Absatz angepasste Mengen erzeugen, bei Verwendung eines einheitlichen Verpackungsmaterials ist es dann sogar möglich, dass mehrere kleinere Einheiten zusammen ein größeres Verteilerzentrum beliefern können. Unter Einbindung einer einheitlichen Digitalisierung lassen sich hierbei die verschiedenen Warenströme vom Ausgangsprodukt der Produktion, über die Zutaten, Verpackungen und Logisitik hervorragend steuern, dazu gehört dann auch die Einbindung der Energiegewinnung sowie Speicherung unter Verwendung dementsprechender E-Mobile.
Zusammenfassung: Nach meiner Meinung, ist die nachhaltige Nahrungsmittelversorgung mit den heutigen technischen und technologischen Möglichkeiten nicht mehr zeitgemäß, vor allem wenn man den Klimawandel vor Augen hat. Es muss wieder in kleineren Einheiten gedacht werden. Eine autarke Versorgung im ländlichen Bereich ist keine Utopie. Die örtliche nachhaltige Energieerzeugung und der direkten Verwendung im gesamten kommunalen Bereich sowie deren Speicherung, ermöglicht nicht nur nachhaltige Landwirtschaft und Verarbeitung, sondern auch neue zusätzliche Einkommensquellen wie z.B. Gewächshäuser. Zusätzlicher Effekt ist auch eine erhebliche größere Attraktivität für Neuansiedlungen, sowie dementsprechenden Handwerks- bzw. Industriebetriebe. Vor allem bin ich davon überzeugt, dass durch dieses ganzheitliche Konzept nicht nur wieder die Lebensmittel besser bzw. natürlicher werden, eine regionale Futterversorgung erfolgt, die gesamte Lebensqualität im ländlichen Raum wieder steigt und dies alles verbunden mit einer Verbesserung der Einkommenssituation für die in der Landwirtschaft tätigen Personen, dabei ist vor allem auch noch entscheidend, dass sich die dabei hergestellten Lebensmittel nur unwesentlich, wenn überhaupt verteuern müssen.
Taunusstein, den 16.06.2021 Reiner Wechs Ingenieurbüro Milch- und Molkereiwirtschaft Limesweg 8 65232 Taunusstein reiner.wechs@rwe-ing.de +4917670292416
Milch- und Molkereiwirtschaft Limesweg 8 65232 Taunusstein reiner.wechs@rwe-ing.de +4917670292416
Aktualisierung 04.07.2022
Als ich vor einem Jahr den obrigen Blog geschrieben habe, dachte ich vorrangig an die CO2-Belastung unserer Umwelt - leider hat dieses Thema jetzt mit der Energiekrise durch den Ukrainekrieg noch umso mehr Bedeutung gewonnen.
Wir müssen tatsächlich die Bedeutung der Energieversorgung wieder neu durchdenken und dabei spielt die Dezentralisierung der Energiegewinnung eine wichtige Rolle.
Vor ca. 50 Jahren gab es noch in jedem Dorf eine mehr oder weniger vorhandenen Vollversorgung mit Metzger, Bäcker, Gemischtwarenladen und ev. kleineren Molkerei, sowie diverse kleinere Handwerksbetriebe. Die Kosten von Energie wie Öl, Gas, Benzin , Diesel , Wasser usw. war kein Thema.
Dies führte unter anderem zu immer größeren Produktionseinheiten und damit verbundenen Verlust des dörflichen Charakters.
Die Zeiten haben sich verändert - die Ressorcen werden knapper, allerdings sind auch neue wirtschaftlich sinnvolle Technologien entstanden,Photovoltaik, Solarthermie, Windräder, neue Speichersysteme, Elektroautos, Wasserstofferzeugung, Biogasgewinnung (Landwirtschaft,Kläranlagen) usw.
Viele dieser Möglichkeiten der Energiegewinnung stehen regional vor Ort zur Verfügung und müssen nicht über lange Überlandleitungen transportiert werden, sondern können gleich regional eingesetzt bzw.gespeichert werden.
Eine zentrale Wärme- und Stromgewinnung ist mit den örtlich vorhandenen Ressourcen kein Problem,
Die optimale Energieausnutzung mit Hilfe einer intelligenten Steuerung z.B. der Haushaltsgeräte lässt sich ebenfalls hervorragend steuern.
Neben der immer besser werdenden Energiespeicherung in Form der E-Autos oder Batterien ist auch die Speicherung in Form von Eis ein riesiges Thema, nicht nur das man damit kühlen kann sondern man kann das Eis im Winter auch mit Hilfe der Absorptionstechnik - Art Wärmepumpe umgekehrt einsetzen.
Die älteren können sich sicherlich noch an die in den Dörfern vorhandenen Eiskeller erinnern- in denen das Eis für den Sommer zum kühlen gespeichert wurde - besonders wichtig für die damalig kleinen Brauereien (entstehen auch langsam wieder).
Diese stichwortartige Anmerkungen -- bzw. Vorschläge sollen als Anregung dienen, dass in uns wieder ein umdenken erfolgen muss. Sicherlich können wir mit diesen Schritten nicht die Welt retten, aber vielleicht schaffen diese Anregungen und ev. Umsetzungen einen gewissen Bumerangeffekt
der Diskussionen startet bzw. Meinungen entwickelt und weiter gibt.
Über Eure Anregungen und Meinungen würde ich mich freuen
Euer
Reiner
Aktuelle Beiträge
Alle ansehen( bewegen wir uns in der Massenproduktion Schnittkäse hin zum Einheitsbrei ? ) Nachdem es jetzt schon länger nichts mehr von mir hören zu...
Comments