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Wo ist der Geschmack geblieben

(eine Ode an die handwerkliche Milchverarbeitung)


Ende der 80er Jahren kam vor allem über die angelsächsiche Richtung die Forderung einer Normierung der einzelnen Prozeßabläufen verbunden mit einer sog. ISO-Zertifizierung ins Land.

Dies war allerdings auch oft notwendig um eine Standardisierung und Qualitätssicherung in die einzelnen Abläufe der Produktion- und Handelsbetriebe zu bekommen.

Um dies alles umzusetzen wurden ganz neue Abteilungen für das sog. Qualitätsmangementsystem geschaffen. Damit begann das Übel, es entstand ein sog. Staat im Staat.

Es wurden immer mehr Normen und damit verbundene Zertifizierungen eingeführt wie z.B.

ISO 9001 - Qualitätsmangement

ISO 14001 - Umweltmangement

ISO 50001 - Energiemangement

ISO 45001 - Arbeits- und Gesundheitsmanagement

ISO 22000 -Lebensmittelsicherheit

FSSC 22000 - ISO basierte, internationale Zertifizierung für Lebensmittelsicherheit

SVG -Zertifzierung für Tierfutter (man kann zwar Lebensmittel für Menschen erzeugen, braucht aber noch eine extra Zertifizierung für Tierfutter)

usw.


Was ist die Quintessenz daraus ? -- ohne die Zustimmung der verantwortlichen Qualitätsbeauftragen

werden in den Unternehmen keine Entscheidungen mehr getroffen.

In den milchverarbeitenden Betrieben hat dies zwar auf der einen Seite zu einer höheren Produktsicherheit geführt, aber auf der anderen Seite auch zu einer Normierung des Geschmacks und vor allem der Haltbarkeit.

Frischprodukte sind in Wirklichkeit immer mehr haltbare Produkte --- denen man um den Charakter der Frische zu geben eine kürzeres MHD aufdruckt.

Da jeder Produzent oder Händler bei einer Reklamation sofort an den Pranger gestellt wird, hat es eben zur Folge, daß die Massenprodukte der Milchverarbeiter auf einen mehr oder weniger Einheitsgeschmack mit langer Haltbarkeit getrimmt sind, oft mit unnötigen Zusätzen von Aromen,Farbstoffen, Konservierungsstoffe und Stabilisatoren.


Gerade deshalb ist es umso wichtiger, daß die landwirtschaftlichen Milchverarbeiter und Manufakturen wieder den individuellen/traditionellen Geschmack fördern und erhalten, allerdings auch ohne die langsam ausufernden Anforderungen der Dokumentationen und Zertifizierungen.

Gerade wenn z.B. ein Landwirt sich mit seiner Familie um die Futtergrundlage, der Milchgewinnung und dem damit verbundenen Tierwohl, der Verarbeitung und Vermarktung kümmert und dann noch einen Tag in der Woche extra für die Dokumentation benötigt, läuft etwas schief.

Das was festgehalten werden muss, streitet keiner ab, aber bitte die Kirche im Dorf lassen.

Leider ist unser Kontrollsystem mittlerweile in allen Bereichen so aufgebaut, daß es immer nur um die Einhaltung der Sorgfaltspflicht gegenüber den dementsprechenden Überwachungsbehörden geht.

Diesen wiederum kann man da allerdings keinen Vorwurf machen, denn Sie stehen voll in der Schusslinie und werden dann oft als Bauernopfer gebraucht - deshalb muss hier was von der Gesetzgebung neu geregelt werden.

Etwas provokant ausgedrückt: Ich kann ruhig Mist produzieren, muss es nur dokumentieren.


Wir brauchen wieder mehr Kreativität, verbunden mit einem natürlichen individuellen Geschmack.

Dies können vorrangig die handwerkliche Milchverarbeitung, Manufakturen, Affineure sowie auch die

gut ausgebildeten Bedientheken oder Fachgeschäfte bieten.


Gerade durch den mehr oder wenig einheitlichen Geschmack und Produktqualität in der industriellen MIlchverarbeitung sehe ich für die großen landwirtschaftlichen Milcherzeuger lang- bis mittelfristig ein sehr hohes Gefährdungspotenial, dass die Molkereien noch all Ihre MIlch benötigen.

Die zunehmende vegane Ernährung auf der einen Seite aber viel gefährlicher !! ist die Entwicklung vom

sog. Laborfleisch oder fermentativ hergestellten Milchbestandteilen.

Die ersten Molkereien produzieren schon immer mehr vegane Produkte und sich dann einen Fermenter

in die Produktion zu stellen ist auch kein Problem.

Ich kann mich hier nur der Aussage vom Philosophen Richard David Precht anschließen:

Die Massentierhaltung wird alleine aussterben und nicht wegen dem Klimaschutz sondern weil das Fleisch dann billiger wie jetzt sein wird.


Gerade diese Entwicklung bietet für die handwerklichen Milchverarbeiter und Manufakturen mit Ihren

gläsernen Produktionen, individuellen Produkten und den damit verbundenen natürlichen Geschmacksvariationen nicht nur ein Stück Lebensqualität sondern auch enormes Vermarktungspotential, da es immer eine Zweigleisigkeit geben wird - auf der einen Seite billige Massenware und auf der anderen natürlichen Genuss.


Soviel für heute: mal etwas provokant .

Freue mich auf Eure Meinungen und Reaktionen.


Reiner

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Hi, danke fürs Vorbeischauen!

Alles rund um die Milch und den Käse ist mein Leben - Urgroßvater schon Käser, Vater vor über 45 Jahre - Schrozberger Demetermilchverabeitung gestartet. Ich selbst mit 16 Jahren das Käsehandwerk im Allgäu gelernt, viele Stationen, Milch- und Molkereiwirtschaft studiert (Dipl-Ing.) über 30 Jahre in größeren Molkereibetrieben verantwortlich tätig.

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